Acryl

Acryl


Klavier und Orgel Live

Duo Klavier-Orgel live

Michael Gailit, Klavier | Wolfgang Capek, Orgel

Franz Liszt (1811-1886)


Klavier Solo Live

Michael Gailit, Klavier

Franz Liszt (1811-1886)

Dante-Sonate (Après une lecture du Dante aus Années de Pèlerinage)

Julius Reubke (1834-1858)

Mazurka E-Dur | Broad Street Presbyterian Church, Columbus, Ohio | 1989

Scherzo d-Moll | Broad Street Presbyterian Church, Columbus, Ohio | 1989

Sonate b-Moll | Wien, Bösendorfer | 1989




Rezensionen

Rezensionen

Tod durch Auferstehung

Franz Schmidt – Musik für alle

Der Wiener Organist, Herausgeber und Musikwissenschaftler Michael Gailit legt ein dünnes, aber inhaltsreiches Büchlein vor, in dem einmal mehr die Hintergründe ausgeleuchtet werden, die zu Franz Schmidts Punzierung als Nazi-Komponist geführt haben. Der Stein des Anstoßes ist ja immer wieder seine Kantate „Deutsche Auferstehung“; auch die darin enthaltene Fuga solemnis ist mit dem Nazi-Vorwurf kontaminiert, obwohl sie früher und ohne Zusammenhang mit der Kantate entstanden ist.

In seiner Argumentation nimmt Gailit einen Umweg über Schmidts Oper „Fredigundis“ und die damit zusammenhängenden Stücke für Bläser und/oder Orgel, und hier liefert er eine Überraschung. Schmidt bekam zwei Anfragen nach einer festlichen Fanfare; „den so entgegengesetzten politischen Lagern lieferte er exakt das gleiche Stück.“ Die Fanfare erklang im Frühjahr 1925 zweimal an prominenter Stelle, nämlich sowohl bei einer Veranstaltung des politisch weit rechts stehenden „Alldeutschen Verbands“ als auch bei der Maifeier der Sozialdemokraten. Letztere Aufführung „blieb im Schrifttum bisher unerwähnt“, was die spätere Wahrnehmung Schmidts als angeblichen Sympathisanten der rechten Reichshälfte nicht gerade erschwert hat.

Sodann erfährt man alles Wissenswerte über die Kantate, etwa auch dass sie ihren Titel erst nach Franz Schmidts Tod bekommen hat. Die Rolle des prominenten Organisten Franz Schütz wird beleuchtet so wie auch die der anderen Zeitgenossen. Die Broschüre ist ästhetisch ansprechend gestaltet und bietet Faksimiles und Fotographien sowie eine englische Zusammenfassung.

Der Titel der Abhandlung ist doppeldeutig zu verstehen. Schmidt war bereits schwerkrank, als er dennoch und unter großem Zeitdruck an der Kantate weiterarbeitete; Gailit geht davon aus, dass dies Schmidts Ableben beschleunigt hat. Und die „Auferstehung“ war nahezu tödlich für Schmidts Ranking im Repertoire. Gegen diese bedauerliche Fehldeutung des wichtigen österreichischen komponisten ist Michael Gailits Essay eine willkommene Unterstützung.

Peter Planyavsky

Singende Kirche 2025/2

Edition Fredigundis

Hervorragend, vorbildlich

Mit der vorliegenden, drei Bände umfassenden Urtextausgabe der Variationen und Fuge über ein eigenes Thema in D-Dur für Orgel, bzw. den Königsfanfaren aus „Fredigundis“ für 14 Blechbläser und Pauken legt Herausgeber Michael Gailit die Latte für eine anspruchsvolle, zeitgemäße Editionstechnik sogleich auf ein sehr hohes Niveau. Nicht ohne Stolz wird darauf hingewiesen, dass erstmals alle Fassungen und alle Stimmen dieser Komposition Schmidts im Druck erhältlich sind. Dazu gehören in Teil 1 a / b neben dem Textteil die Orgelerstfassung von 1916, die Zweitfassung von 1924 und die Ensemblefassungen 1925/1926. Teil 2 umfasst die Dirigier- und Spielpartitur für 14 Blechbläser, optional mit Orgel und Teil 3 schließlich die Stimmen von Blechbläsern und Pauken.

Die verschiedenen Teile, bzw. Fassungen der dreiteiligen Edition sind in Ringbuchbindung ausgeführt, was ein rasches Umblättern ermöglicht. Zeitgemäß sind sämtliche Bände zudem als PDF-Versionen erhältlich. Einen hohen Wert erhält die wohldurchdachte Edition zunächst durch ihren ausführlichen Textteil im Band 1a. Nicht nur der für eine heutige gewissenhafte Edition unverzichtbare Kritische Bericht des Notentexts, sondern zudem ausführliche Hintergrundinformationen werden gegeben. Gerade Letztere sind für das Verständnis der Komposition von großer Wichtigkeit, da diese eine doch verhältnismäßig komplexe Entstehungsgeschichte aufweist. Der Herausgeber hat die Aufgabe, die doch erheblichen Unterschiede der einzelnen Fassungen prägnant darzustellen, hervorragend gemeistert.

Der in der Zwischenkriegszeit zumeist nicht unerhebliche politische Kontext wird im Hinblick auf dieses Werk ebenfalls gebührend berücksichtigt. Neben der Darstellung des Organisten Prof. Franz Schütz, welcher für die Orgelwerke Schmidts eine zentrale Rolle spielte, fehlt es nicht an der Darstellung der beiden Rieger-Orgeln in Musikverein und Konzerthaus als Orte der Uraufführungen der verschiedenen Fassungen der Komposition. Einen wahrlichen Schatz für die klangliche Realisierung auf der Orgel stellen diesbezüglich die in die Edition aufgenommenen Eintragungen von Registrierungen der Erstfassung 1916 dar, deren Herkunft wohl möglich vom Komponisten selbst stammen könnten.

Der Notentext aller Teile der Edition ist vorbildlich gestaltet. Die Wendestellen sind praktikabel angelegt. Im Druckbild entsteht niemals eine Enge oder Gedrängtheit, sodass man als Interpret noch genügend freien Platz für eigene Eintragungen zur Verfügung hat. Sicherlich ist diese Art von Musik nicht für jeden Aufführungsort geeignet, doch ist es höchst erfreulich, mit welcher Liebe zum Detail sich die vorliegende Edition dem Werk Schmidts widmet. Es bleibt zu hoffen, dass in naher Zeit neben den im Vertag bereits erschienenen Ausgaben mit Werken Franz Schmidts noch weitere in dieser Form vorgelegt werden.

Philipp Pelster

(Singende Kirche 2025, Heft 1)

Bach Fuge F-Dur

Spannend

Der zweite Satz der Sonate in C-Dur für Violine solo, BWV 1005 ist eine Fuge, die sogar die „monumentalsten Orgelfugen“ bei weitem im Umfang übertrifft, so der Komponist im Vorwort. Der thematische Bezug zum Pfingstchoral lässt auch an eine verbindende Aufführung mit einem der bei- den Choralvorspiele aus den Leipziger Chorälen BWV 651, 652 denken. Spieltechnisch eine Herausforderung — an der Violine im Original, aber auch an der Orgel in der vorliegenden Fassung. Eine zweifellose spannende Bearbeitung!

Ines Schüttengruber

Singende Kirche 2025/1

Hummel Allegro

Fröhliche Bereicherung

Wie erfreulich eine Bereicherung für dieses Duo-Repertoire hiermit vorliegen zu haben! Michael Gailit bearbeitet Hummels fröhliche Klaviersonate in Es-Dur, op. 13, eines seiner ersten großen Werke. Im ersten Satz steht das österliche Halleluja im Zentrum, im Seitenthema eine akkordische Struktur, die, so der Herausgeber im Vorwort, an „alpenländische Volksmusik“ erinnert. Der Klavierpart ist reich an Läufen und Virtuosität. Als Quellen dienen der Erstdruck der Klaviersonate von 1803, Bayerische Staatsbibliothek München sowie die Bearbeitung für Klavier und Orgel von Felix Richert, Paris 1864. Kompliment zur sehr ansprechenden Ausgabe, einladend, übersichtlich — unbedingt spielenswert!

Ines Schüttengruber

Singende Kirche 2024/4

Spiritual Preludes

Unbedingt spielenswert

Dem Organisten und Komponisten Michael Gailit sind hier vier Spielstücke gelungen — voll von Ideen, Humor, Witz und Spielfreude. Er vereint dabei Elemente barocker Kompositionen mit dem großen Vorbild der Kompositionen von Johann Sebastian Bach mit Melodien unserer Zeit und Einflüssen aus dem Jazzbereich. Triospiel, Kanon, spielerische Motivik sind wichtige Elemente in den vier Preludes. Originell und unbedingt spielenswert — liturgisch wie auch  konzertant!

Ines Schüttengruber

Singende Kirche 2024/4

Sghertso

So g’hert sich’s!

Das Orgelstück „Sghertso“ schrieb Michael Gailit für Susanne Werpechowski und ihre Teilnahme am Jugendwettbewerb Prima la musica. Pandemiebedingt fand die Uraufführung erst im Mai 2021 in Wien an der Orgel der Jesuitenkirche statt. Wer aus dem Titel ein im Wiener Dialekt ausgesprochenes „Es gehört so“ heraushört, liegt absolut richtig. Die Komposition beginnt mit einer durch Pausen strukturierten Tonrepetition im Pedal und entfaltet sich durch Einbeziehung weiterer Töne zu einem prägnanten Motiv, das mit einer schlichten Melodie kontrapunktiert wird. Blockartig werden immer neue Varianten dieser Zellen und Motive miteinander kombiniert, kontrastreich aneinandergereiht und zu einer improvisierten Kadenz mit notierten Elementen geführt. Im Tutti kehrt die Reprise des Hauptmotivs zum ausgangston zurück. Michael Gailit gelingt ein durchsichtiges, abwechslungsreiches und hervorragend gearbeitetes Stück, das zu Gunsten von raffinierten Spielweisen und klanglichen Effekten auf komplexe rhythmische Strukturen verzichtet. Die Komposition steht ganz in der Tradition heiterer Orgeltoccaten der jüngeren österreichischen Orgelmusik. Ein kurzweiliges Stück: So g’hert sich’s!

Johann Simon Kreuzpointner

Singende Kirche 2024/4


BWV 565 Edition Bachs Toccata

Edition Bachs Toccata

Ein Schritt in absolutes Neuland

 

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200 Jahre Takt 72 falsch

In der ältesten Handschrift fehlt in Takt 72 eine Schlagzeit. Seit 200 Jahren füllen alle Ausgaben die Schlagzeiten 3 und 4 mit einer später erfundenen Passage. Bisher unentdeckt blieb, dass der Kopist Schlagzeit 1 mit einem x markierte und dass an der so bezeichneten Stelle das Fugenthema vervollständigt werden muss.

Älteste Handschrift vorrangig

Die Abweichungen in allen weiteren Abschriften sind kreative Einfälle der Kopisten, erfreuen sich aber der Sympathie der Herausgeber. Die kritisierte Einfachheit des Werkes wird durch Missachtung der Notation verschärft.

Titelseite fraglich

Der einzige Hinweis auf Johann Sebastian Bach als Autor (1685-1750) ist die Titelseite der ältesten Abschrift. Diese jedoch stammt nicht vom Kopisten des Werkes, sondern von einer Person, die weder mit Notationskonventionen noch mit dem Werk vertraut war.

Kopist fraglich

Die Signatur auf der Titelseite „verfasst von Johannes Ringk“ zeigt eindeutig nicht die Handschrift Ringks. Ringk hatte vielmehr die Vorlage verfasst und seine Signatur wurde von dieser mitkopiert.

Komponist fraglich

Die Zuschreibung an Johann Sebastian Bach wurde beharrlich tradiert und rettete das Werk vor dem Vergessen. Adolf Bernhard Marx, der führende Theorielehrer seiner Zeit und 1833 erster Herausgeber der Toccata, vertrat öffentlich eine Datierung des Werks in die Zeit nach Bach.

Jugendwerk fraglich

Die Forschung ordnet die Toccata in die Jugendzeit Johann Sebastian Bachs ein. Merkmale, die nicht zu seinem sonstigen Schaffen passen, werden mit jugendlicher Unerfahrenheit erklärt.

Motivisch-thematische Arbeit

Die Noten lassen in allen 143 Takten motivisch-thematische Arbeit erkennen. Der Textband der Edition erläutert dies detailliert mit farbigen Notenbeispielen. Die Zuschreibung an Bach verhinderte die Erkenntnis.

Gegenteil von unerfahren

Erst Joseph Haydn (1732-1809) gilt als Entwickler der motivisch-thematischen Arbeit. Definiert erscheint sie erstmals 1802 im Musiklexikon von Heinrich Christoph Koch. Die Vielfalt der Verarbeitung in der Toccata spiegelt großes Können wider.

Wagner-Orgel Marienkirche Berlin

Das instrumentale Umfeld ist die Wagner-Orgel der Berliner Marienkirche. Die Orgel besaß zu keiner Zeit das tiefe Cis, das in Takt 2 vorkommt. Aufführungen der Toccata an der Orgel sind mehrfach dokumentiert.

Amalien-Orgel Berlin

Die erste Hausorgel von Prinzessin Anna Amalia von Preußen im Berliner Schloss besaß auf beiden Manualen und im Pedal das große Cis. Die Orgel befindet sich heute in der Kirche Zur frohen Botschaft in Berlin-Karlshorst.

C. P. E. BACH (1714-1788)

Bei der Autorenfrage rückt der zweitälteste Bach-Sohn ins Zentrum. In seinen Werken kommen sehr ähnliche Motive und Passagen vor. Motivisch-thematische Arbeit spielt bei ihm zunehmend eine Rolle. Die Toccata könnte ein Experiment an der Amalien-Orgel gewesen sein, um neue Kompositionsverfahren auf der Orgel auszuprobieren.

Bachs Toccata NOTENBAND und TEXTBAND

BWV 565 Die Entdeckung

 Toccata und Fuge d-Moll, BWV 565

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Was Sie wissen sollten

Anordnung der Noten

Der Ansatz der Analyse ist die Anordnung der Noten. Ob Bach oder nicht Bach, ob Violine oder nicht Violine, ist komplett egal, unwichtig unbedeutend. Wichtig ist nur, genau zu verstehen, wie die Noten angeordnet sind. Dann kann man nur noch staunen.


BWV 565 Kopist Johannes Ringk

 Toccata und Fuge d-Moll, BWV 565

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Was Sie wissen sollten

Falsch abgebogen

  • Der Schreiber der ältesten Handschrift der Toccata war Johannes Ringk.

 

  • Ringk soll mit 13 Jahren eine Kantate Bachs kopiert haben, da am Titel der Kantate unter seinem Namen „Anno 1730“ steht.

 

  • Ringk soll mit 13 auch die Toccata kopiert haben.

 

  • Ringks Kopiertätigkeit endete 1740 mit der Übersiedlung nach Berlin.

 

  • Alle Signaturen mit Johannes Ringk stammen von derselben Person. Unterschiede im Schriftstil sind auf die persönliche Entwicklung der Handschrift zurückzuführen.

Richtiggestellt

  • Ringk unterschrieb stets mit Kanzlei, nicht mit Kurrent. Er kürzte den Vornamen immer mit „Joh.“ oder „J“. Scripsit kürzte er immer mit „Sc.“.

 

  • Es fehlt am Titelblatt der Kantate BEWV 202 das Markenzeichen „Sc.“, Die Unterschrift ist vom restlichen Text sehr verschieden. Der eingetragene Komponistenname „Pach“ wurde offensichtlich mündlich mitgeteilt.

 

  • Ringk hatte nicht die älteste Handschrift verfasst, sondern die Vorlage dazu. „Scrips: Johannes Ringk“ stand auf der Vorlage der Toccata und wurde mitkopiert.

 

  • Zehn von 22 online zugänglichen Unterschriften „Johannes Ringk“ stimmen in allen Merkmalen bei Signatur, Handschrift und Notation überein. Die anderen Quellen können nur von anderen Personen stammen.


bwv565 Kopist Johann Samuel Harson

 Toccata und Fuge d-Moll, BWV 565

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Was Sie wissen sollten

Kopist
Johann Samuel Harson?

Verfasser der ältesten erhaltenen Handschrift könnte Johann Samuel Harson gewesen sein.

Krimi der Handschriften 2

Als Marienorganist Johannes Ringk 1778 verstarb, wurde Johann Samuel Harson (1759-1792), ein Schüler Johann Philipp Kirnbergers, auf die Stelle berufen. Leider verstarb Harson früh und hinterließ nur zwei Choralvorspiele. Nennenswerte biografische Daten sind kaum überliefert. Wie Ringk diente er auch als Kopist für die Hofoper.

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Harson oder Harsow?

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Der Familienname von Johann Samuel Harson ist auch als „Harsow“ überliefert. Zur verschiedenen Schreibweise fehlt jede Erklärung. Die Suche im Internet mit dem Begriff „Harson“ ergibt Treffer mit realen Personen, vornehmlich englischer Herkunft. Die Schreibweise „Harsow“ dagegen führt im Internet redundant ausschließlich zu Johann Samuel Harsow. Die Schreibweise „Harson“ dürfte also die zutreffende sein. Wie kommt es aber zu „Harsow“?

 

Zieht man englische Herkunft in Betracht, bedeutet das auch englische Handschrift. Ist der Wortschlussbuchstabe ein n, so erhält das n ein sogenanntes Elefantenrüsselchen.

Die zwei Versionen des Familiennamens lassen sich als deutscher Leseirrtum erklären. Der Kleinbuchstabe n der englischen Roundhand-Schrift kann mit der Verzierungsschleife am Wortende irrtümlich als Kurrent- oder Kanzlei-Buchstabe w gelesen werden.

unisen?

Auf englischen Hintergrund weisen auch die Takte 4-10 hin. Für jemanden mit Deutsch als Mutterspreche ist die Schreibweise unisen mit e ein unerklärlicher Irrtum,, der noch dazu zweimal deutlich geschrieben vorkommt. Im Englischen dagegen entspricht der Kleinbuchstabe e in unisen der Aussprache. Unisen geht nicht auf die Vorlage zurück, der Begriff stammt vom Kopisten. Die Abschrift Voss notiert für diese Passage eine andere Vereinfachung. Entweder war die Vorlage nicht abgekürzt, oder so wie bei Voss notiert. Die Abkürzung in P595/11 mit unisen ging also direkt vom Kopisten aus.